(Letzte Aktualisierung: 17.09.2024)
Fast alle Straftaten gegen Personen haben gemeinsam, dass sie gegen den Willen dieser Person passiert sind, also deren Interessen verletzt haben. Hat die Person jedoch eingewilligt, so ist nichts Unrechtes geschehen, also liegt keine Straftat vor.
Dieses Prinzip findet jedoch seine Grenzen, wenn der Betroffene über das Rechtsgut nicht selbst verfügen kann, weil er bspw. nicht als einsichtsfähig gilt oder wenn außer persönlichen auch noch öffentliche Interessen bedroht sind.
Inhalt
Allgemeines
Was ist eine Einwilligung?
Bei der Einwilligung erklärt sich das eigentliche Opfer mit einer Handlung einverstanden, die eigentlich eine Straftat darstellt. Wer sich z.B. freiwillig an einem Boxkampf beteiligt, stimmt damit zu, dass er dabei meist in irgendeiner Form Schmerzen erleidet. Aufgrund dieser Einwilligung kann der Gegner dann aber nicht wegen Körperverletzung bestraft werden.
Was ist ein Einverständnis?
Das Einverständnis schließt bei verschiedenen Delikten (z.B. Hausfriedensbruch, Diebstahl) bereits den Tatbestand aus, da hier das Handeln gegen den Willen oder ohne die Zustimmung des Berechtigten ein Tatbestandsmerkmal ist. Sofern ein tatbestandausschließendes Einverständnis vorliegt scheitert eine Strafbarkeit bereits auf Tatbestandsebene.
Was ist der Unterschied zwischen Einwilligung und Einverständnis?
Die Einwilligung wirkt rechtfertigend im Bereich der Rechtswidrigkeit, das Einverständnis dagegen bereits tatbestandsausschließend.
Einwilligung
Wo ist die Einwilligung gesetzlich geregelt?
Nirgends. Die rechtfertigende Wirkung der Einwilligung beruht darauf, dass der Einwilligende mit der Beeinträchtigung seiner Güter einverstanden ist und daher gerade keines Schutzes durch das Strafrecht bedarf.
Wann ist eine Einwilligung relevant?
Die Einwilligung bedarf folgender Voraussetzungen:
- Disponibilität des geschützten Rechtsgutes (d.h. der Verzicht auf das geschützte Interesse muss rechtlich zulässig sein)
- ausdrückliche oder konkludente Erklärung vor der Tat
- Verfügungsbefugnis
- Einwilligungsfähigkeit
- keine Willensmängel
- keine Sittenwidrigkeit (vgl. § 228 StGB)
- Einwilligungswille
Muss die Einwilligung gegenüber dem Täter erfolgen?
Dies ist strittig. Wenn man davon ausgeht, dass der Verzicht auf das Rechtsgut rechtfertigend wirkt, dürfte jede nach außen wirkende Erklärung ausreichen.
Kann eine Einwilligung nachträglich erfolgen?
Nein, die Einwilligung wirkt nur rechtfertigend, wenn sie vor der Tat erfolgt ist. In eine bereits vollendete Straftat kann das Opfer nicht mehr einwilligen.
Wirksamkeit der Einwilligung
Nicht jede Einwilligung hat automatisch rechtfertigende Wirkung. Eine Einwilligung ist nämlich nur wirksam, wenn in das betroffene Rechtsgut überhaupt eingewilligt werden kann und der Einwilligende verfügungsbefugt und einwilligungsfähig ist.
In welche Rechtsgüter kann keine Einwilligung erfolgen?
Bei Straftaten gegen folgende Rechtsgüter ist keine Einwilligung möglich:
- Leben
- Körperverletzungen im Rahmen des § 228 StGB
- Rechtsgüter der Allgemeinheit, z.B. Sicherheit des Straßenverkehrs
Wann ist der Einwilligende verfügungsbefugt?
Die Einwilligung muss überhaupt möglich sein, was bei Individualrechtsgütern in der Regel kein Problem darstellt.
Wann ist der Betroffene einwilligungsfähig?
Notwendig ist eine natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Einwilligenden. Dafür muss ihm die Tragweite des Eingriffs und die daraus folgenden Auswirkungen für seine rechtlich geschützten Interessen bewusst sein.
Muss der Einwilligende geschäftsfähig sein?
Nein, es geht nur um die natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit. Dies gilt auch für Vermögensdelikte, bei denen an sich die Verfügungsbefugnis von der Geschäftsfähigkeit abhängt.
Ist die Einwilligung eines Bedrohten beachtlich?
Nein, da diese dann nicht aus freien Stücken erfolgte. Welche Intensität der Drohung notwendig ist, ist dagegen strittig.
Ist eine aufgrund einer Täuschung vorgenommene Einwilligung wirksam?
Dies ist umstritten. Nach herrschender Meinung kommt es darauf an, ob sich der Irrtum im Rahmen des betroffenen Rechtsguts abspielt. Ein Irrtum über bloße Begleitumstände der Tat ist demnach nicht relevant, die Einwilligung daher weiterhin wirksam.
Mutmaßliche Einwilligung
Wann kommt eine mutmaßliche Einwilligung in Betracht?
Nur dann, wenn die Einwilligung nicht erteilt wurde, aber hätte erteilt werden können. Sie ersetzt eine tatsächlich erklärte Einwilligung und wirkt genau wie diese.
Wann kann eine mutmaßliche Einwilligung angenommen werden?
Es werden hier zwei Fallgruppen angenommen:
- Das Handeln ist im mutmaßlichen Interesse des Betroffenen.
- Der Betroffene hat kein Interesse daran, den Eingriff in sein Rechtsgut abzuwehren.
Bedarf das Handeln aufgrund mutmaßlicher Einwilligung eines subjektiven Elements?
Ja, es muss ein Geschäftsbesorgungswille vorliegen, also die Absicht, gerade im Sinne des Rechtsgutsinhabers zu handeln.
Welche Prüfpflichten hat der Täter bzgl. des mutmaßlichen Willens?
Er muss grundsätzlich alle Umstände, die für die Ermittlung des hypothetischen Willens des Rechtsgutsinhabers relevant sind, gewissenhaft prüfen. Hierauf kommt es aber nur an, wenn sich nachträglich ergibt, dass der wirkliche Wille diesem mutmaßlichen entgegensteht.
Wann ist auf den objektiven Willen eines vernünftigen Menschen abzustellen?
Aufgrund des Selbstbestimmungsrechts des Rechtsgutsinhabers ist zunächst nur auf seinen subjektiven wirklichen Willen abzustellen. Ist dieser nicht zu ermitteln, kann aber der zu vermutende, vernünftige Wille herangezogen werden, sofern nicht ersichtlich ist, dass der wirkliche Wille von diesem abweicht.
Kann auf die mutmaßliche Einwilligung abgestellt werden, wenn der tatsächliche Wille hätte erforscht werden können?
Nein, da dies dem Selbstbestimmungsrecht des Verletzten zuwiderläuft. Wenn es möglich ist, hat ein Befragen des Rechtsgutsinhabers stets Vorrang.